Es war einmal ein Königspaar, das wünschte sich nichts sehnlicher als ein Kind. Doch die Königin konnte keine Kinder bekommen und so baten sie eine alte Hexe um Rat. Sie ahnten nicht, dass diese ihnen nicht wohlgesonnen war. Die Hexe wollte ihnen helfen, und bald schon sollte eine kleine Prinzessin geboren werden. Als es soweit war, schenkte das Paar der kleinen Prinzessin voller Freude eine sprechende Rose.
Die Alte erschien aber an der Wiege und verlangte als Dank das halbe Königreich. Der König widersprach ihr und jagte die Hexe hinaus. Diese zischte: “Das wirst du mir büßen! In 18 Jahren komme ich und hole mir das Kind!“ Dann brauste sie davon. Das Königspaar war in großer Sorge um ihr Kind und befahl den Torwächtern, keinen unangekündigten Besuch hineinzulassen.
Es waren fast 18 Jahre vergangen. Die Prinzessin war zu einer jungen Frau herangewachsen, die von Tag zu Tag schöner wurde. Und sie war auch verliebt: in den hübschen Bauernjungen, der in der Schmiede eine Ausbildung machte. Oft ritten die beiden gemeinsam auf dem stolzen schwarzen Hengst des Bauernjungen auf eine verträumte Lichtung. Auch diesen Abend saßen die beiden auf einem umgeknickten Baumstamm. Die Stimmung war perfekt. Da zog die Prinzessin eine Rose aus der Tasche ihres hellblau-rosafarbenen Kleides. „Für dich!“, flüsterte sie. Der Bauernsohn war überrascht und glücklich zugleich. Er wollte ihr von den Gefühlen, die er für die Prinzessin empfand, erzählen. Doch als er den Blick hob, sah er nicht in die strahlend blauen Augen, die er so sehr mochte, sondern in ein trauriges Gesicht. „Was ist los?“, fragte der Jüngling und legte tröstend seine Hand auf ihre Schulter. Seufzend erzählte die Prinzessin ihm von der Hexe und dass es bald Zeit war, Abschied zu nehmen. Sie sprach: „Es ist eine sprechende Rose, die ich dir gab. Sie wird dir helfen.“ Dann gab sie ihm einen zarten Kuss, mitten auf den Mund. Sie erhob sich und ging schnellen Schrittes davon. Verwirrt starrte der Bub ihr nach. Als er aber begriff, war von der Prinzessin nichts mehr zu sehen. Der Bauernsohn stand auf. Dabei fiel ihm die Rose vor die Füße. Er hob sie auf, steckte sie in seine Hosentasche und ritt heim.
Am nächsten Tage wollte er die Prinzessin besuchen, aber sie war entführt worden! Man suchte schon nach ihr. Doch der Bauernjunge wusste Bescheid. Er fragte die Rose: „Rose zart und klein, willst du mir behilflich sein?“ Und als die Rose ihre Blätter hob und senkte fragte er: „Wo wohnt die Hexe?“ Da sprach die rote Blume: „Im dunklen Wald steht ein Turm. Da lebt die Hexe mit ihrem schwarzen, sprechenden Kater.“ Der Bauernjunge dankte der Rose und machte sich auf den Weg. Er war viele Stunden unterwegs, aber er wurde nicht fündig. „Ich muss mich verlaufen haben“, dachte er. Da flog ein Vogel herbei und setzte sich auf seine Schulter. Der Junge wusste: Das war kein Zufall. Und er sprach: „Vogel bunt und fein, willst du mir behilflich sein?“ Und als der Vogel den Kopf hob und senkte sagte er: „ Wo ist der Turm der Hexe?“ Der Vogel zwitscherte: „Folge diesem Pfad und du wirst bald schon den Turm erblicken.“ Der Bub dankte dem Vogel und schwang sich wieder in den Sattel.
Schon bald stand er vor einem alten, großen Turm. Die Holzbretter waren teilweise morsch und lose. Der Bauernsohn nahm ein Paar lose Bretter heraus und kletterte durch das kleine Loch ins Turminnere. Er erblickte eine Treppe und stieg hinauf. Staunend sah er, dass hier alles aus Holz war. Jetzt stand er vor einer Tür. Vor ihr lag ein schwarzer Kater. Der Bauernjunge sagte: „Katz` mit schwarzem Bein, willst du mir behilflich sein?“ Und als der Kater seine Schnurrhaare hob und senkte fragte er: „Wo finde ich die Prinzessin?“ Da schnurrte der Kater: „Hinter dieser Tür wirst du sie finden.“ Der Bub öffnete die Tür und sah einen Kamin, einen Tisch und einen Sessel. Und … die Prinzessin!
Er rannte zu ihr und wollte mit ihr verschwinden, doch auf einmal versperrte die Hexe die Tür. Sie kam bedrohlich näher. Weil er sich nicht anders zu helfen wusste, packte der Bauernjunge einen der brennenden Äste, die im Kamin lagen, und warf ihn der Hexe vor die Füße. „Da!“, rief er. Der Turm begann zu brennen. Die Prinzessin schrie. Der Bauernsohn nahm den Kater auf den Arm, die Prinzessin an der Hand und sprang gerade noch rechtzeitig mit ihnen aus dem Fenster. Sie stürzten hinab … und landeten wohlbehalten auf dem Pferderücken. Das pflichtbewusste Pferd galoppierte sofort los. Doch auch die Hexe hatte die Flucht ergriffen und folgte ihnen auf ihrem Besen. „Was können wir nur tun?“, jammerte die Prinzessin. „Es gibt nur eine Möglichkeit, die Hexe zu besiegen“, knurrte der Kater. „Und zwar, ihre Zauberkraft zu lähmen. Dafür muss man aus der Feder eines sprechenden Vogels, dem Haar eines sprechenden Katers wie mir und dem Blütenblatt einer sprechenden Rose einen Trank brauen und die Hexe muss ihn trinken.“
Darum rief der Bauernjunge den Vogel herbei und holte die Rose aus seiner Tasche. Er erklärte ihnen, worum es ging uns sie versprachen, zu helfen. Also warteten sie bis die Hexe sich zur Mittagsruhe im Wald niederließ. Sie ließ eine Suppe über einem Feuer köcheln währen sie sich schlafen legte. Der Bauernsohn kippte die Suppenzutaten in ein Gebüsch, nur das Wasser ließ er drin. Dann gab er die magischen Zutaten dazu. Grüner Nebel zog auf und legte sich wieder. Ein köstlicher Geruch zog durch den Wald. Die Prinzessin, der Bauernjunge und die magischen Geschöpfe versteckten sich als die Hexe erwachte. Sie steckte sich und leckte sich die Lippen, als sie den köstlichen Geruch wahrnahm. Gierig schlang sie den Zaubertrank, den sie für ihre Suppe hielt, hinunter. Sie setzte sich auf ihren Besen und murmelte einen Zauberspruch, aber der Besen rührte sich nicht vom Fleck. Zornig schrie sei: „Das wirst du bereuen, Bauernknabe!“
Doch da flog das Vöglein herbei und zog die alte Hexe an ihrem Rock in den heißen Kessel, die Rose stach sie in die Hände und die Katze zerkratzte ihr die Augen, so dass sie von nun an blind durch den Wald irren musste. Die Prinzessin und der Bauernknabe ritten mit den magischen Geschöpfen heim. Das Königspaar war überglücklich, seine Tochter wieder zu haben. Nach wenigen Tagen schon fand die Hochzeit statt und die Rose, der Vogel und der Kater durften auf dem Schloss leben. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
© Lena Scheufens (5a; 2015/2016)
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